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Mitwirkung und Barrierefreiheit: Einblicke in die Landesschule für Blinde und Sehbehinderte

„Schülerinnen und Schüler, Jugendliche, die haben was zu sagen. Die haben gute Ideen. Und da muss man einfach nur noch hinter den Schülern stehen […].“, so Michael Theiss, Schulleiter der Landesschule für Blinde und Sehbehinderte in Chemnitz.

Am 02. Juni 2023 besuchten Stefanie und Frances aus dem MiWi-Team die Landesschule für Blinde und Sehbehinderte in Sachsen. In kleinen Klassen lernen hier Schüler:innen mit dem Förderschwerpunkt Sehen und/oder Lernen. Dort interviewten sie den Schulleiter, Michael Theiss, sowie Erik, einen Schüler der 8. Klasse. Erik, der selbst blind ist, besucht die Landesschule seit dem Schuljahr 2019/20 und hat das Amt als Klassensprecher seit einem Jahr inne. Erik und Herr Theiss gaben dem MiWi-Team spannende Einblicke in ihre Schule und in die Arbeit der Schüler:innenvertretung.

Der Schülerrat an der Landesschule für Blinde und Sehbehinderte

Erik, an welchen Themen und Projekten arbeitet euer Schülerrat zurzeit?

„Unser Schülerrat trifft sich in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen und wir besprechen Dinge, die die ganze Schule betreffen.
Zum Beispiel haben wir den Tag des offenen Unterrichts geplant. An diesem Tag haben die Eltern der Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, in einer bestimmten Zeit beim Unterricht dabei zu sein, um zu sehen, wie der Unterricht gemacht wird.

Ein weiteres Projekt des Schülerrates sind Klappstühle in den Gängen der Schulgebäude. Leider muss das Vorhaben von der Behörde genehmigt werden und das dauert sehr lange. Gerade warten wir auch auf einen Trinkbrunnen. Der soll am Ende des Schuljahres hoffentlich kommen.“

Herr Theiss, wie unterstützen Sie die Arbeit der Schüler:innenvertretung und wie unterstützen Sie Schüler:innen, dass sie mitentscheiden und mitwirken können?

„Unsere Grundhaltung als Kollegium ist, dass wir unseren Auftrag nicht nur darin sehen, dass alle Schülerinnen und Schüler lesen, schreiben und am Ende die Prüfung gut schaffen, sondern dass sie auch dazu befähigt werden, Fragen zu stellen, zu sagen, was ihnen zusteht, was sie brauchen.“

„Gerade wenn es um die Barrierefreiheit geht, werden unsere blinden und sehbehinderten Lernenden selbst befragt, um ihre Bedürfnisse berücksichtigen zu können. Unser Ziel ist, dass die Schülerinnen und Schüler ihr Lernen selbst bestimmen, sodass sie gut arbeiten können.
Nicht nur der Schülerrat heißt Mitwirkung, sondern eigentlich findet Mitwirkung an allen Stellen statt.“

Motivierte und engagierte Schüler:innen haben einen ungehinderten Zugang zur Mitwirkung.

„Wenn ich bei Schülerratssitzungen eingeladen bin, komme ich vorbei und habe für die Schüler:innenvertretung ein offenes Ohr.
Für mich als Schulleitung ist es wichtig, dass wir die abwegigsten Ideen und unbequemen Entscheidungen des Schülerrates mittragen und nicht beurteilen, ob diese sinnvoll sind. Und das muss man aushalten, solang sie regelkonform sind. Manchmal muss man einfach auch Zutrauen haben, dass es läuft, auch wenn man nicht da ist. Fällt mir übrigens auch schwer.“

Unterstützung der Schüler:innenvertretung

Erik, wer unterstützt euch bei eurer Schülerratsarbeit, beispielsweise bei Schülerratssitzungen oder bei der Planung von Projekten? Und wie?

„Unsere Schulsozialarbeiterin leitet die Schülerratssitzung und führt mit unserem Schülersprecher durch die Sitzung. Die beiden sprechen auch bei Projektplanungen mit der Schulleitung und mit externen Leuten. Wir haben auch einen Vertrauenslehrer. Der Schülerrat wählt ihn immer zu Beginn des Schuljahres.“

Herr Theiss, inwieweit arbeiten die Akteur:innen (Lehrkräfte, pädagogische Fachkräfte, Schüler:innen, Eltern, Schulleitung etc.) an Ihrer Schule zusammen, um die Schüler:innenmitwirkung zu stärken?

„Bei uns geht es darum, Selbstständigkeit und Selbsttätigkeit zu unterstützen, Fähigkeiten und Kompetenzen aufzubauen. Außerdem werden im Austausch auch die Meinung der Schülerinnen und Schüler immer wieder einbezogen und auch die der Eltern. Die Eltern zu erreichen ist etwas schwieriger, weil unsere Lernenden weit verstreut in Sachsen wohnen. Um diese Hürde zu überwinden, findet unsere Schulkonferenz hybrid statt. Generell versuchen wir zu ermöglichen, dass die Kinder und Jugendlichen wirklich über das reden, was sie umtreibt.“

Die Schüler:innen im Blick

Stell dir deinen Schülerrat in zwei Jahren vor, Erik. Was hat sich verändert? Worüber möchtet ihr gut informiert sein, mitreden und mit entscheiden?

„Ich persönlich denke, dass sich da jetzt nicht wirklich was ändern wird, und es muss sich eigentlich auch nichts ändern, weil ich denke, dass es gut ist, so wie es jetzt ist. Aber wir sollten versuchen, unsere Projekte voranzubringen.“

Herr Theiss, welchen Einfluss haben die Förderbedarfe der Schüler:innen auf ihre aktiven Beteiligungsmöglichkeiten?

„Der Förderschwerpunkt Sehen macht keinen Unterschied. Wir achten darauf, dass Dokumente barrierefrei sind. Deswegen ist die Digitalisierung bei uns auch sehr weit vorangeschritten.“

„Schwieriger ist es für Schülerinnen und Schüler im Schulkomplex mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Wir haben auch in dem Bereich natürlich Schülerinnen und Schüler, die ganz klar sagen: „Wir sind da und wollen mitmachen!“ Da stellen sich verschiedene Fragen, zum Beispiel, wie die Schülerinnen und Schüler, die ihren Willen nicht ausdrücken können, auch mitwirken können. Zurzeit scheitern wir daran, aber nicht, weil wir nicht für Offenheit und Demokratie stehen, sondern weil wir da keine gute Lösung haben.“

Ausblick und Tipps

Welche chilischarfen Tipps hast du, Erik, für andere Schülerräte für eine gute Schülerratsarbeit?

„Ich würde sagen, das Wichtigste ist die Einigkeit, weil wenn der Schülerrat sich nicht einig ist, kann man nicht arbeiten. Natürlich gibt es dann Ideen, mit denen andere weniger einverstanden sind und andere eben mehr einverstanden sind oder einige diese Idee anders umsetzen wollen. Da muss man dann eben versuchen, dass man sich zusammensetzt und in Ruhe darüber redet und versucht, möglichst erfolgreich einen Kompromiss zu schließen.“

Herr Theiss, welche chilischarfen Tipps haben Sie für andere Schulleitungen/Schulen in Bezug auf eine gelingende Schüler:innenmitwirkung?

„Wenn man weiß, dass Schüler:innenmitwirkung anstrengend ist und aber das Vertrauen auch hat, dass diejenigen, die da am Arbeiten sind, prinzipiell was Gutes machen, dann erleichtern sich schon viele Dinge. Mein zweiter Tipp ist, gelassen zu sein, egal was für eine verrückte Idee aufkommt oder was beschlossen wird. Daran kann man anknüpfen. Meine Aufgabe ist es, darüber zu gucken und zu wachen, dass die Vorhaben passen und auch mal Anstöße geben. Ich unterstütze gerne.“

„Schülerinnen und Schüler, Jugendliche, die haben was zu sagen. Die haben gute Ideen. Und da muss man einfach nur noch hinter den Schülern stehen oder vor den Schülern, je nachdem, ob man schützt oder unterstützt.“
– Michael Theiss, Schulleiter

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Das Treffen mit Michael Theiss und Erik hat Stefanie und Frances gezeigt, dass die Landesschule für Blinde und Sehbehinderte nicht nur ein Ort des Lernens ist, sondern auch ein Ort des individuellen Wachstums und der stetigen Mitwirkung. Die Arbeit der Schüler:innenvertretung, der Schulleitung und des gesamten Kollegiums trägt dazu bei, das Leben der Schüler:innenschaft positiv zu beeinflussen und ihnen die Chance zu geben, ihre Fähigkeiten voll auszuschöpfen.

Wir bedanken uns ganz herzlich für die Zeit, den inspirierenden Austausch und Ihr/dein Engagement.

Michael Theiss, Erik und Stefanie vor der Landesschule für Blinde und Sehbehinderte

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